Heimkehrunruhe

20170319_130233Ein paar Tage lang fühlt es sich wie Urlaub an, wenn ich Zeit bei meinen Eltern auf dem Land verbringe. Es macht Spaß, überall mit dem Auto hinzufahren, frisches Gras nach einem Schauer riecht wunderbar und natürlich ist es traumhaft, von Mutti bekocht zu werden. Ich kann auch nicht erklären warum, aber nach ein paar Tagen wird man vom Urlauber zum Fremden. Auch wenn mein Kinderzimmer noch fast so aussieht wie früher, ist die Zeit doch nicht stehen geblieben. Es ist Zeit für etwas Frisches, Slow-Cooking!

Uni-Student zu sein heisst irgendwann vor allem allein zu sein. Die (Fach-)Hochschulstudenten müssen schon wieder ran, während man selber noch über einen Monat Freizeit hat. Leider blieben meinem Bruder und mir nur ein Wochenende zusammen, da dieser zu letzterer Gruppe gehört. Auch die meisten meiner alten Freunde sind schon wieder im Hörsaal oder sogar bei der Arbeit. Eigentlich müsste man als Student ja komplett mit Praktika, Seminararbeiten und Projekten beschäftigt sein. Jedenfalls erinnerte mich der Rektor meines Gymnasiums daran. Nicht mal nach dem Abi hat man vor seiner wohlwollenden Strenge Ruhe. Ganz unbeschäftigt bin ich aber auch nicht, immerhin habe ich genug Lesematerial für meine anstehende Bachelorarbeit.

Und was macht man, wenn man sich nicht mit Neurolinguistik beschäftigt? In meinem alten Fitnessstudio laufen immer noch die gleichen Nasen rum, nur sind sie sehr viel breiter. An jeder Straßenecke trifft man bekannte Gesichter und man hat immer Zeit für einen Schwatz. Die meisten Gespräche verlaufen anfangs so, als ob sich nichts verändert hätte. Irgendwann erinnert man sich aber daran, dass man sich zum Teil fünf Jahre lang nur auf Facebook gesehen hat. Das Gehirn friert dann kurz ein und die Gespräche werden seltsam. Man ist halt nicht mehr derselbe, hat andere Ziele und möchte anders wahrgenommen werden. Das einzig Gute daran ist, dass auch die meisten negativen Gefühle und Erwartungen an das Gegenüber verschwunden sind.

Die ganze Nostalgie ist aber auch nur ein paar Tage lang schön. Solange kann man sich der Fantasie hingeben, man wäre selber noch der Alte und die Zeit wäre stehen geblieben. Nachdem man die Unmöglichkeit dessen realisiert hat, kommt erstmal eine große Melancholie. Man erinnert sich daran, dass man ein anderes Leben an einem anderen Ort hat. Dieses eigentliche Leben scheint aber immer weiter zu verblassen, während man sich in seiner wehmütigen Vergangenheitsfantasie suhlt. Dieses eher unangenehme, aber heftige Gefühl nennt man die Heimkehrunruhe. Fast jeder Mensch kennt dieses Gefühl, vermag es aber nicht zu beschreiben. Viele merken noch nicht einmal, warum sie depri sind. Ich wusste auch nicht, dass es sowas gibt. Wahrscheinlich würde ich mich sonst gar nicht so matschig fühlen.

Meine Familie ist nicht stehen geblieben, meine Freunde, meine Stadt und mein Leben auch nicht. Wie kann man jetzt auch noch seine Erwartungen der Realität anpassen? Man muss sich selber zeigen, dass man sich auch weiterentwickelt hat. Sorry, Mama, so gerne ich mich auch bekochen lasse, ich kann das auch! Und ich zeige euch was Neues. Hühnchen mal langsam, innen saftig und außen kross und mit Nachtisch drin.

Zutaten:

  • Brathuhn mit Innereien
  • 3 Mandarinen
  • 2 Tomaten
  • 2 Zwiebeln
  • 2 Knoblauchzehen
  • Rosmarinzweig
  • Lorbeerblatt
  • Paprikapulver, Salz und Pfeffer
  • Viertele Weisswein
  • 250 ml Geflügelfond

Wascht den Gockel und trocknet ihn gut ab. Heizt den Backofen auf 140° vor. Vermischt Paprikapulver, Salz und Pfeffer zu eurer eigenen, glorreichen Gewürzmischung ohne Glutamat. Reibt den Hahn außen und innen großzügig und kraftvoll mit den Gewürzen ein. Stopft das Bratgut mit den Innerein, einer geschälten Mandarine, einer halbierten Zwiebel, einer Knoblauchzehe, dem Rosmarinzweig und dem Lorbeertblatt. Legt das gefüllte Geflügel auf eine entsprechende Kasserole und umringt es mit grob geschnittener Zwiebel, geviertelten Tomaten und einer Knoblauchzehe. Die zwei übrigen Mandarinen zupft ihr klein und garniert damit den Hahn, bevor er in den Ofen kommt. Zuletzt gießt ihr den Wein langsam um das Huhn herum. Aber nicht darauf! Nur wenn das Hühnchen außen trocken und innen feucht ist, wird es zart UND knusprig. Nach ungefähr 1.5 Stunden sollte das Hühnchen die gewünschten 80 Grad Innentemperatur haben. Wenn das der Fall ist, nehmt es heraus, gießt den Sud ab und filetiert das Brathuhn. Stellt es im Ofen warm. Den Geflügelfond bringt ihr zusammen mit dem Sud zum Kochen und gebt die Füllung hinein. Hoffentlich mögt ihr Innereien. Nach 2 Minuten köcheln püriert ihr die Soße mit einem Zauberstab o.ä. und schmeckt sie ab. Dadurch habt ihr eine wunderbare, würzige und sämige Soße, die beinahe das Highlight des Essens ist. Am besten passt dazu ein Süßkartoffel-Karottenstampf.

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