Ob als stiller Mensasitzstreik oder lauter Gaisburger Auf-Marsch, Essen ist oft ein Indikator für politischen Zeitgeist und auch oft selber Grund für politische Unruhen. Dieser Blogeintrag soll an einem vergangenen und ein weiterer an einem aktuellen Beispiel die Rolle von Essen in der Politik verdeutlichen.
Versetzen wir uns zurück in das England des 16. Jahrhunderts. Die Reformation auf dem Festland wird von der katholischen Inselbevölkerung mit gelassenem Abstand betrachtet. Es ist eine andere Revolution, die die Stammtische entzweit. Der Hopfen ist über den Kanal gekommen und das schmeckt den gestandenen Ale-Trinkern noch nicht so recht. „Hops, reformation, bays and beer, Came into England all in one year.“, lautete das Motto der Freunde des „merry ol‘ England“. Wie sich herausstellen sollte, konnten sich die Engländer am Ende auch von der römisch-katholischen Kirche auf Dauer trennen, nicht aber von ihrem Ale.
Was hinter dieser belustigenden Anekdote steckt, hat einen wahren Kern. Mit der Reformation kamen auch die Puritaner und forcierten ihre Vorstellungen von Moral und verordneten der Bevölkerung Enthaltsamkeit und verboten Sitten und Bräuche. So wie den „Carnival“, der so wie „Karneval, Fasnet und Fasching“ im katholischen Kalender die Zeit des Überflusses vor der Fastenzeit markiert. Seit den römischen Saturnalien erlaubte die herrschende Schicht der einfachen Bevölkerung sich über die Gesetze und Sitten zu erheben und die Regierung bzw. Kirche trat in den Hintergrund, nur um danach in gefestigter Position ihren Machtanspruch zu erneuern. Zentral dabei war schon immer Essen und Trinken. Oft wird das Wort Carnival umstrittenerweise erklärt durch „carne vale“(Fleisch ade!).
Für die carnevalesquen Unsittlichkeiten, Fressen, Saufen und Sex, hatten die Puritaner nichts übrig und verboten den Carnival. Die Bevölkerung musste ihr Bedürfnis, dem tristen und entbehrlichen Leben zu entfliehen, an einem anderen Ort stillen. Zu dieser Zeit erlangte das Theater große Popularität, wo im Gegensatz zu heute, auch gegessen und getrunken wurde und die Zuhälter ihre Runden drehten. Dort identifizierte man sich mit Figuren, wie Shakespeares Figur Sir Falstaff. Er verkörpert den Geist des Carnivals, den Exzess, die Gegenfigur zum vernünftigen Vater der Nation, dem König. Man bezieht sich oft auf ihn als den „Lord of Misrule“, den „Herzog der Unordnung“. Er ist das fette Teufelchen auf der Schulter des späteren Königs Heinrich V., der ihn zum Saufen und Fressen verleiten möchte. Seine Figur war im Theater so beliebt, dass er der Haupthandlung die Show stahl. Es gab sogar editierte Aufführungen, die nur seine Auftritte zeigten und so manches Gelage und Abenteuer dazu dichteten. Sein Abgang in Teil 2 von Heinrich IV. ist aber alles andere als glorreich. Frisch zum König gekrönt, verstößt Heinrich V. den größten Feinschmecker und Säufer der Nation. Königin Elisabeth war nun einmal eine Protestantin und die Begeisterung über einen Charakter, der alle Werte der neuen Religion missachtet stieß auf viel Missmut unter den Puritanern. Im Jahre 1642 wurden dann schließlich auch die Theater verboten, da sie den Sitten der puritanischen Interimsregierung widersprachen.
Nun, heute haben wir die Freiheit und Möglichkeit zu jeder Zeit das zu essen, was wir verlangen und da Helmut Kohls Lieblingsessen, Pfälzer Saumagen, oder wenn Obama Broccoli zu seinem Lieblingsessen erklärt, nicht ganz die Definition von politischem Essen trifft, möchte ich einen Standpunkt vertreten, der etwas politisches hat. In der Diskussion über die Einschränkung von Fleischkonsum fällt ein Aspekt einem gesellschaftlichen Tabu zum Opfer. In armen Ländern wird aus Tradition und aus Knappheit alles vom Tier verwendet, und die Innereien gelten als besondere Delikatesse und werden dem schnöden Muskelfleisch vorgezogen. Vieles davon wird in der westlichen Welt als „Fleischabfall“ bezeichnet oder verwurstet. Dabei gibt es eine reiche Tradition in Deutschland, was Innereien angeht: Saure Kutteln, bayrische Kronfleischküche und nicht zuletzt die Leberwurst.
Das eigentliche Problem liegt, wie so oft, in der Mentalität. Man bringt Kindern bei, dass Fleisch aussieht wie ein paniertes Schnitzel oder Chicken McNuggets. Da ist es nur verständlich, dass eine rohe Zunge oder ein Herz ekel hervorruft. Der gleiche Ekel regt sich bei mir, wenn ich über den rosa Fleischschleim nachdenke, aus dem beinahe jedes Fastfood-Produkt besteht. Um eine bewusste Ernährung mit Fleisch zu führen, muss man sich bewusst machen, dass man ein Lebewesen isst, mit lebenswichtigen Organen. Anstatt aufgrund von Überfluss grosse Teile wegzuschmeissen, sollte man das Tier zelebrieren und was man von ihm nimmt zu schätzen wissen. ALLES! Deswegen traut euch, gebt euch neuen Erlebnissen hin und entdeckt eine neue, spannende Alternative zum Hüftsteak.
Um euch nicht gleich zu verscheuchen, präsentiere ich diese Woche das recht unaufgeregte Allround Modell der Innereien, die Leber. Dieses Rezept entstammt der italienischen Küche, die meiner Meinung nach, die einfallsreichste und vielseitigste im Umgang mit Innereien ist. Der feine Geschmack der Leber wird hervorragend von der kräftigen, herzhaften Soße umrahmt. Ihr werdet überrascht sein, wie zart das Fleisch ist!
Kalbsleber in Weinsoße
Zutaten für 2 Personen
- 2 Scheiben Kalbsleber
- Mehl
- Salz & Pfeffer
- 1 EL Olivenöl
- 1 EL Butter
- 125 g magere Speckstreifen
- 1 zerdrückte Knoblauchzehe
- ½ gehackte Zwiebel
- 1 Selleriestange in dünnen Scheiben
- 100 ml Rotwein
- 100 ml Rinderfond
- 1 TL Worcester-Soße
- Eine Hand frischer, gehackter Salbei
- 3 gehäutete, entkernte Tomaten, in Streifen
Die Leber mit Salz und Pfeffer würzen und in Mehl wenden. Das Öl und die Butter in der Pfanne erhitzen und die Leber anbraten. Vorsicht, eine Leber ist sehr schnell durch und wird dann hart. Die Leber zudecken und warmhalten. Den Speck, Knoblauch, Zwiebel und Sellerie in die Pfanne geben und auf schwacher Hitze dünsten. Den Rotwein, Rinderfond, die Worcester-Soße und den Salbei hinzufügen, aufkochen und 3 Minuten köcheln lassen. Die Tomaten hinzufügen und nochmals 3 Minuten köcheln lassen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Die Leber auf Tellern anrichten und die Soße dazugeben. Dazu werden Bratkartoffelscheiben oder Kartoffelbrei empfohlen.