Das Wissen der Alten

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Rouladen in Pflaumensoße.jpgModerne Kochkunst wurde lange nur als Bewegung in die Zukunft verstanden. Alles, was man gestern gegessen hat, war langweilig, ungesund und uncool. In unserer globalisierten Welt war dieser Prozess sicher ein logischer Schluss und hat unsere Gaumen für neue Aromen geöffnet und sensibilisiert. Mit der Molekularküche, die sich trotz aller Showeffekte nicht in unseren Küchen etablieren konnte, ist man an einem vorübergehenden Ende der Entwicklung weg vom Traditionellen angekommen. Was geblieben ist, ist die Lust auf Neues und die Offenheit für Ungewohntes. So wie süßsaure Soßen mit Obst, die um 1350 en vogue waren.

Im vermutlich ältesten deutschen Kochbuch, dem „Buoch von guoter Spise“, das für den Würzburger Patrizier Michael de Leone geschrieben wurde, findet sich ein Rezept für süßsaures Hähnchen mit Birnen. Das Rezept ist deswegen so spektakulär, da es aromatisch ausgefeilt und durchaus anspruchsvoll ist. Die Basis der Soße bilden der Bratensaft des Hühnchens, Wein und Honig, die mit heimischen Gewürzen, Pfeffer und Anis abgeschmeckt werden. Der zum Kochen verwendete Wein war damals wahrscheinlich viel saurer, eventuell auch Weinessig. Die Birnen werden angebraten und in der Soße gekocht und verleihen der Soße die charakteristische Süße.

Solche Rezepte waren damals weniger Kochanleitungen, sondern eher ein Statussymbol und dienten der Dokumentation. So konnten die reichen Bürger ihren Gästen in Buchform präsentieren, was ihre Köche bereits gezaubert haben. Man kann sich über Foodblogger und zwanghafte Instagramnutzer lustig machen, die alles was sie essen ablichten, anscheinend folgen wir damit aber guter Tradition. Wer mehr über die Geschichte der Ernährung in Deutschland erfahren möchte, dem kann ich das Buch „Beyond Bratwurst – A History of Food in Germany“(2014, Reaktion Books) von Ursula Heinzelmann wärmstens empfehlen. Es hat mir gezeigt, dass im Prinzip alle Vorurteile über deutsches Essen falsch sind. Das demonstriert die Autorin über eine umfassende Analyse des politischen, kulturellen und religiösen Zeitgeschehens. So lässt sich zum Beispiel der Erfolg des Deutschen Reiches unter Karl dem Großen unter anderem darauf zurückführen, dass er sehr viel Wert darauf legte, allen Bauern genau vorzuschreiben was sie unter welchen Bedingungen anzubauen haben und wie sie es weiterverarbeiten sollten. Daneben findet man auch viele Originalrezepte, Ideen und Eindrücke.

Mir war spontan danach, eine Soße nach dem Vorbild des „Hähnchen à la Rheingau“ zu kreieren. Da ich noch Rouladen vom Biolandhof Bauschatz hatte, dachte ich mir etwas mit Pflaumen aus, die der Soße nicht nur Süße, sondern auch Tiefe geben. Um die Säure möglichst mild aber aromatisch zu erhalten, arbeitet dieses Rezept mit Wein und Balsamico, was sich auch sehr gut dosieren lässt. Das Ergebnis ist meiner Meinung nach phänomenal, Säure und Süße ergänzen perfekt die zarten Rouladen und die saftigen Pflaumen explodieren vor Geschmack.

Zutaten für 4 Portionen:

  • Handvoll getrocknete Pflaumen
  • 200 ml Wein
  • frischer Thymian und Rosmarin
  • 4 Rouladen
  • Füllung für die Rouladen (zB. Speck, Senf und Gurkenstreifen)
  • Küchengarn
  • Eine Zwiebel (kleingehackt)
  • 500 ml Rinderfond
  • 1 Tomate
  • Eine Prise Muskat
  • Evtl. Maismehl zum andicken
  • Balsamico Essig

Legt die Pflaumen ungefähr eine Stunde in Wein ein, damit sie sich richtig schön vollsaugen. Heizt den Ofen auf 150 Grad vor. Füllt die Rouladen nach dem Rezept eurer Mutter (ruft sie mal wieder an) und bindet sie längs und quer schön fest zu und bratet sie in ausreichend Olivenöl in einem Bräter scharf (!) an. Die Rouladen müssen schön braun werden und keine Angst, wenn sie zuerst am Boden kleben, nicht daran ziehen, da sie sonst zerfallen. Nach einer Weile werden sie sich von alleine lösen. Wenn die Rouladen auf allen Seiten schön braun sind, löscht sie mit dem Rotwein und den Pflaumen ab und gebt den Fond, die Zwiebeln, eine geviertelte Tomate und die Kräuter hinzu und kocht alles kräftig auf. Gebt eventuell noch bis zu 400 ml Wasser hinzu, je nach Größe des Bräters. Die Rouladen 20 Minuten im Ofen bei 150 Grad schmoren lassen. Danach aus der Soße nehmen und im Ofen warm halten (bei 80-90 Grad). Die Soße durch ein Sieb in einen Topf gießen und die Pflaumen aus dem Sieb klauben. Falls da jemand noch eine geschicktere Idee hat, bitte kommentieren! Die Pflaumen geben wir am Schluss wieder zu der Soße hinzu, aber die Zwiebeln und die Kräuter können entsorgt werden. Die Soße im Topf aufkochen und mit mindestens 2 Esslöffeln Balsamico abschmecken. Jetzt ist der feine Gaumen gefragt: mit Muskat, Salz und Pfeffer abschmecken. Man kann natürlich mit weiteren Gewürzen arbeiten, wichtig ist nur die Balance zwischen süß und sauer. Wenn man mit dem Geschmack zufrieden ist, dickt die Soße mit etwas Maismehl und einem Schneebesen an. Jetzt könnt ihr die Pflaumen wieder in die Soße geben und mit den Rouladen zu z.B. Bamberger Hörnchen und Rotkraut servieren.

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Naja, ich bin zwar nicht gerade ein begeisterter Anhänger, anderen, idF den Bauern vorzuschreiben wie sie etwas anbauen oder essen sollen und kann mir auch nicht vorstellen, dass das dem Deutschen Reich zum Vorteil gereicht hat. Aber das Birnenrezept ist gut, darauf kommt es an.

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    1. Messi sagt:

      Das ist das schöne, über Wirtschaftssysteme lässt sich streiten, über Geschmack jedoch nicht! Ich möchte unbedingt bald das Hähnchen a La Rheingau probieren, falls Du schneller bist, bin ich über jeden Erfahrungsbericht dankbar.

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